Bluthochdruck ist eine stille Gefahr für die Gefäße im Herz und im Gehirn. Daran besteht kein Zweifel. In allen aktuellen Leitlinien ist auch klar bei Werten von über 140/90 mmHg die Rede von einem behandlungsbedürften Bluthochdruck. Wer kardiovaskuläre Risiken aufweist, für den gelten strengere Maßstäbe. Doch welche Werte sollten optimalerweise durch eine Therapie dann erreicht werden? Gibt es auch zu niedrige Werte, die dann ebenfalls die Gesundheit gefährden können? Hier die Antwort unseres Experten
Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:
Ich, 82, bin schlank, Nichtraucher und bewege mich viel. Seit einem Herzinfarkt und einer Bypass-Operation wegen einer KHK ernähre ich mich auch sehr bewusst. Mein Blutdruck liegt unter der aktuellen Medikation mit Candesartan recht konstant bei 130/80 mmHg. Das entspricht auch in etwa den Empfehlungen meines Kardiologen. Meine Nierenfunktion ist laut letztem Befund ebenfalls noch okay. Jetzt habe ich aber gelesen, dass der normale Blutdruck sogar noch niedriger liegt, nämlich bei 120/70 mmHg und niedriger. Nun bin ich verwirrt. Sollte die Candesartan-Dosis vielleicht erhöht werden? Andererseits: Sind niedrige Werte nicht auch mit Organschäden, etwa an den Nieren, verbunden? Ich würde gerne wissen: Geben die Leitlinien vielleicht konkrete Hinweise, nicht nur wann der Blutdruck zu hoch, sondern auch, wann er zu niedrig ist – vor allem bei einer KHK? (Peter M., Freiburg)
Antwort des Experten
Die Angaben der zahlreichen aktuellen Leitlinien zur Behandlung der Hypertonie sind nicht nur für Sie, sondern auch für viele andere Patienten und sogar Ärzte verwirrend. Nach der neuen Stadieneinteilung von Blutdruckhöhe der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) würde zum Beispiel bei Ihnen tatsächlich bereits ein erhöhter Blutdruck (120-139/70-89 mmHg) vorliegen und der Zielblutdruck einer medikamentösen Therapie knapp verfehlt werden (120-129 mmHg/70-90 mmHg).
Dennoch sind die Empfehlungen Ihres Kardiologen mit einem Zielwert von 130/80 mmg, den Sie offenbar gut und stabil erreichen, aus meiner Sicht vernünftig. Grundsätzlich sollten Sie aufgrund ihrer koronaren Herzkrankheit mit überstandenem Herzinfarkt und der Bypass-Operation unbedingt auf einen gut eingestellten, stabilen Blutdruck achten, der nicht weiter ansteigt. Daher: bitte regelmäßig kontrollieren!
Die strengen Angaben, Blutdruckwerte von unter 120/70 mmHg als nicht erhöht (normale) anzugeben, beziehungsweise bei einer Therapie als Ziel Werte zwischen 120-129 systolisch und unter 80 mmHg diastolisch zu empfehlen, rühren daher, dass es wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass mit zunehmendem Druck die Belastung auf unsere Gefäße wächst. Zugleich ist dies aber immer mit dem Hinweis gekoppelt – „sofern das vertragen wird“. Und gerade im Alter (Schwindel/Sturzgefahr) ist der niedrige Zielwert oft schwer umsetzbar. Da sie gesund leben und auch Ihre Nierenfunktion offenbar noch gut ist, sehe ich aktuell keinen Grund, die Dosis von Candesartan zu erhöhen, um noch niedrigere Blutdruckwerte zu erreichen.
Ein niedrigerer Blutdruck wäre umgekehrt allerdings auch nicht schädlich. Sie verursachen – anders als Bluthochdruck – grundsätzlich keine Organschäden. Ein niedriger Blutdrucke kann jedoch durchaus lästig sein und die Lebensqualität subjektiv einschränken. Dies ist individuell sehr unterschiedlich. Viele Menschen kommen mit einem Wert von 100/70 mmHg zum Beispiel sehr gut klar. Anderen ist bereits bei 120/80 mmHg schwindlig und sie fühlen sich matt. In den diversen Leitlinien zu Bluthochdruck, wird daher eine Untergrenze angeben.
Wichtig für Sie ist, dass Sie bei niedrigen Blutdruckwerten nicht ihre bisherige Energie verlieren, sich regelmäßig zu bewegen oder dass Schwindelattacken auftreten, die möglicherweise einen Sturz provozieren. Ich richte mich daher in meiner Praxis meist nach dem Gesichtspunkt: Es sollten mehr als 80 Prozent der gemessenen Blutdruckwerte (Langzeit-Blutdruckmessung) im erwünschten therapeutischen Bereich liegen, den ich mit dem Patienten individuell je nach seiner Lebens- und Gesundheitssituation abgesprochen habe.
Von einer „Hypotonie“ als Krankheitsbild sprechen wir Mediziner übrigens in der Regel bei Werten von systolisch unter 100 mmHg (bei Frauen) und unter 110 mmHg bei Männern, wenn das mit Beschwerden verbunden ist. Für den unteren (diastolischen) Wert werden unter 60 mmHg angegeben.
Experte
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Prof. Dr. med. Thomas Meinertz ist Kardiologe und Pharmakologe in Hamburg. Zu den Schwerpunkten des ehemaligen Vorsitzenden der Herzstiftung und langjährigen Direktors der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Angiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg zählen insbesondere Herzrhythmusstörungen, die koronare Herzkrankheit und Herzklappen-Erkrankungen. Neben mehreren hundert wissenschaftlichen Fachpublikationen, die Prof. Meinertz für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst hat, ist der renommierte Kardiologe Chefredakteur der Herzstiftungs-Zeitschrift "HERZ heute" und Autor mehrerer Publikationen im Online-Bereich der Herzstiftung.