Sprechstundenfrage

Schützt die Impfung gegen Gürtelrose auch vor Herzerkrankungen?

Kann die Gürtelrose-Impfung auch Herz und Kreislauf schützen? Studien deuten darauf hin – doch ein klarer Nachweis steht noch aus.

Ärztin mit Handschuhen und Mundschutz impft einen Herzpatienten im Behandlungszimmer. Besonders für Risikogruppen wird die Gürtelrose-Impfung empfohlen.
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Die Sprechstundenfrage im Wortlaut:

In einer Zeitung habe ich kürzlich unter der Überschrift „Impfung gegen Herzinfarkt“ von einer Studie gelesen, wonach die Impfung gegen Gürtelrose auch vor Herzerkrankungen schützen soll. Laut der dort zitierten Studie gebe es dank der Impfung ein um etwa 20 Prozent verringertes Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt oder Tod durch Herzerkrankung. Der Herzschutzeffekt sei in den ersten Jahren nach der Impfung am größten. Vor allem Männer unter 60 Jahren würden von der Impfung profitieren. Wenn dem so ist, müssten doch alle Kardiologen ihren Patienten diese Impfung dringend nahelegen. Was ist dafür besser geeignet: der Lebend- oder der Totimpfstoff?

Antwort des Experten:

Gürtelrose (Fachbegriff: Herpes zoster oder kurz: „Zoster“) ist keine seltene Krankheit: Jedes Jahr erkranken nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts in Berlin mehr als 300.000 Menschen in Deutschland daran. Sie betrifft vor allem Menschen ab 50 Jahre und solche mit geschwächtem Immunsystem. In etwa drei von vier Fällen verläuft die Krankheit komplikationslos, aber bei einem Teil der Betroffenen kommt es zu Nervenschäden mit starken Schmerzen (Post-zoster-Neuralgie), die einige Wochen, teils auch dauerhaft anhalten können. Das Risiko dafür steigt mit dem Alter und mit dem Vorliegen weiterer Gesundheitsschäden. Inzwischen ist bekannt, dass Gürtelrose-Erkrankte auch gehäuft Herzinfarkte, Thrombosen oder Schlaganfälle bekommen können.

Ursache: Wenn das Windpocken-Virus wieder aktiv wird

Ausgelöst wird Gürtelrose durch das Windpocken-Virus (Varizella-zoster-Virus, VZV), mit dem so gut wie jeder Mensch im Laufe seines Lebens in Kontakt kommt, meist bereits in der frühen Kindheit. Die heute für Kinder empfohlene Windpocken-Impfung gibt es in Deutschland erst seit 2004. Die Windpocken-Viren verbleiben nach der Erstinfektion im Körper – unabhängig davon, ob man klinisch erkrankt war oder nicht. Sie residieren in bestimmten Nervenknoten (Ganglien). Dort lösen sie normalerweise keine Probleme aus und werden vom Immunsystem in Schach gehalten. In fortgeschrittenem Alter oder bei bestimmten Krankheiten können sie aber wieder aktiv werden. Das heißt: Diese Viren können im Laufe des Lebens zwei verschiedene Krankheitsbilder auslösen: Windpocken in der Kindheit und Gürtelrose im fortgeschrittenen Erwachsenenalter.

Schutz durch Impfung gegen Herpes zoster

Da Gürtelrose in höherem Alter so häufig ist und nach Abheilen des Hautausschlags nicht selten mit Komplikationen wie teils starken Schmerzen oder Schäden an Augen und Gehör einhergehen kann, wird in Deutschland die Impfung gegen Herpes zoster (HZ-Impfung) empfohlen, und zwar für alle ab einem Alter von 60 Jahren sowie für Personen ab 50 Jahre, wenn bei ihnen eine erhöhte gesundheitlichen Gefährdung infolge bestimmter Grunderkrankungen vorliegt. Geimpft wird mit dem Totimpfstoff Shingrix. Er enthält lediglich Erregerbestandteile, die selbst keine Krankheit auslösen können, sondern das körpereigene Immunsystem „schulen“, um im Falle der Zoster-Virus-Reaktivierung abwehrbereit zu sein. Der frühere Lebendimpfstoff Zostavax ist in Deutschland nicht mehr verfügbar.

Neue Forschung: Schützt die Zoster-Impfung auch Herz und Gefäße?

Nun zu der von Ihnen erwähnten Studie aus Südkorea: Dort waren Daten von knapp 1,3 Millionen gegen Zoster Geimpften und nicht Geimpften auf das Auftreten von Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzschwäche, Thrombosen und Herzrhythmusstörungen analysiert worden. Die Impfung gegen Gürtelrose senkte das Risiko für all diese Erkrankungen insgesamt um im Mittel etwa 23 %. Diese Schutzwirkung  auf das Herzkreislauf-System war in den ersten zwei bis drei Jahren am stärksten hielt bis zu acht Jahre an. Besonders profitierten Männer, Menschen unter 60 Jahre und mit ungesundem Lebensstil. 

Einschränkend muss man aber sagen, dass es sich lediglich um eine Beobachtungsstudie gehandelt hat, die auf eine Assoziation zwischen der Impfung und einer möglichen kardiovaskulären Schutzwirkung hinweist. Ein Beweis für einen Kausalzusammenhang ist das aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht, auch wenn es die größte bislang zu diesem Thema veröffentliche Studie ist. Außerdem ist der Zusammenhang nur für eine asiatische Kohorte gezeigt worden, ob er damit zum Beispiel auch für Europäer gilt, ist nicht gesagt. Und drittens war ein Lebendimpfstoff verwendet worden, nicht der neue Totimpfstoff.

Andererseits bestätigt die südkoreanische Studie Erkenntnisse aus einer (deutlich kleineren) US-Studie. Auch dort war die HZ-Impfung mit einem um 24 % reduzierten Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Weitere Studien aus Australien, Wales und den USA weisen außerdem auf ein vermindertes Demenz-Risiko nach HZ-Impfung hin – der neuere Totimpfstoff scheint dabei besser zu sein als der Lebendimpfstoff.

All das sind Indizien dafür, dass die HZ-Impfung über den Schutz vor Gürtelrose hinaus günstige indirekte Effekte auf Herz und Gefäße haben kann. Das erscheint logisch, weil die Zoster-Viren in der Lage sind, die Blutgefäße direkt zu schädigen: die Virus-assoziierte Gefäßentzündung begünstigt wahrscheinlich Herzinfarkte, Thrombosen oder Schlaganfälle.

Fazit

Die HZ-Impfung hat womöglich (sehr erwünschte) Nebeneffekte auf das Herz-Kreislauf-System. Es wird womöglich vor Schäden durch das Gürtelrose-auslösende Virus geschützt. Bestätigt sich das, könnte man diese Impfung als einen Baustein der Herz-Kreislauf-Prävention ansehen. Die geschilderten Effekte bedürfen aber noch der weiteren wissenschaftlichen Analyse.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Portrait von Prof. Thomas Meinertz

  • Lee S et al. Europ Heart J 2025 ;46 :2991-3002
  • www.rki.de, Ratgeber Windpocken (Varizellen), Gürtelrose (Herpes zoster), Stand Juni 2025
  • Hillebrand K et al. J Infect 2015 ;7082) :178-186
  • Kornelius E et al. BMJ Open 2025; 15(2):e090428
  • Taquet M et al. Nat Med 2024; 30(10):2777-2781
  • Pomirchy M et al. JAMA 2025;333(23):2083-2092