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Prävention aus der Apotheke: Was macht hier Sinn?

In einem Referentenentwurf hat die Bundesregierung neue Dienstleistungen von Apotheken benannt, die auch dem Schutz des Herzens dienen könnten.

Hände halten schützend ein Herz
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Stellungnahme der Deutschen Herzstiftung zum Referentenentwurf „Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG)“

Kurzfazit: Öffentliche Apotheken sind ein wichtiger Akteur in der Gesundheitsversorgung in Deutschland – sowohl von akut erkrankten Menschen als auch von chronisch kranken Patient:innen, etwa solchen mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Die Deutsche Herzstiftung e.V. begrüßt daher die im Entwurf zum ApoVWG vorgesehenen neuen Präventions- und Betreuungsleistungen in Apotheken. Das Ziel muss sein, auch auf diesem Weg Risikopatient:innen zu identifizieren. Entscheidend ist dabei unbedingt, dass Patient:innen mit auffälligen Befunden auch konsequent in eine (haus-)ärztlich geführte Weiterbehandlung überführt werden.

Was die Deutsche Herzstiftung am Referentenentwurf zum ApoVWG im Einzelnen positiv bewertet:

A) Präventionsleistungen mit Nutzen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Apotheken

Derzeit gibt es fünf pharmazeutische Dienstleistungen, die von den Krankenkassen vergütet werden. Für Herz-Kreislauf-Patient:innen hilfreich sind in den Augen der Herzstiftung die standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck und die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation (fünf oder mehr Medikamente). Nach den aktuellen Reformplänen sollen diese Dienstleistungen erweitert werden. Gesetzlich Versicherte sollen künftig jeweils mindestens einmal pro Jahr Anspruch haben auf insgesamt neun pharmazeutische Dienstleistung (pDL). Hierunter fallen auch die Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus, die Beratung in Form einer Kurzintervention zur Prävention tabakassoziierter Erkrankungen und ein Pharmazeutisches Medikationsmanagement bei komplexer oder neu verordneter Dauermedikation. Dies ist aus Sicht der Deutschen Herzstiftung begrüßenswert.

Die Gründe

Rauchen ist ein wesentlicher und gut zu beeinflussender Risikofaktor nicht nur für das Entstehen von Krebserkrankungen, sondern auch für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie der Koronaren Herzkrankheit. Rauchen schädigt die Muskulatur des Herzens und verschlechtert die Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff, sodass Raucher häufiger eine Herzinsuffizienz entwickeln.(1) Rauchen führt außerdem zu einer Verengung der Arterien (Atherosklerose), was das Risiko für koronare Herzkrankheit und periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) erhöht, und die im Tabak enthaltenen Chemikalien können den Blutdruck erhöhen, was das Herz zusätzlich belastet. 

Rauchen gehört neben erhöhten Cholesterinwerten, Diabetes, Bluthochdruck und Adipositas zu den fünf Risikofaktoren, die unser Leben verkürzen, bzw. deren Vermeidung lebensverlängernd – bis zu 15 Jahre! – wirken, wie eine aktuelle Studie ergeben hat (2). Rauchen verkürzt danach die Lebenserwartung um 5,6 Jahre (Frauen) bzw. 5,1 Jahre (Männer). Eine strukturierte Maßnahme zur Tabakentwöhnung („Kurzintervention“), die Menschen beim Nikotinverzicht unterstützt, zahlt nicht nur auf die Gesundheit Einzelner ein. Sie kann auch dazu beitragen, hohe Kosten für das Gesundheitswesen durch Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Typ-2-Diabetes bleibt oft lange unbemerkt – mit Folgen. Denn dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte bei Prädiabetes oder Diabetes greifen Blutgefäße und Organe an: Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenversagen zählen deshalb zu den häufigsten Komplikationen. Ein Diabetes mellitus erhöht zum Beispiel das Risiko für Vorhofflimmern und Herzschwäche. Wird dieser Risikofaktor konsequent angegangen, lassen sich mehr als sechs Jahre Lebenszeit gewinnen (2). 

In Ergänzung zum Check-Up 35 beim Hausarzt können Beratungen zu Aspekten des Lebensstils und zu Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen/Diabetes mit unbedingt noch näher zu definierenden Messungen dazu beitragen, diese Erkrankungen früher als bisher zu erkennen und Menschen dann einer adäquaten medizinischen Behandlung zuzuführen. Die geplante Verpflichtung, dass Apotheken ihre pDL-Maßnahmen und gegebenenfalls Messwerte in die elektronische Patientenakte einpflegen, ist dahingehend positiv zu bewerten, dass sie eine sektorenübergreifende abgestimmte Versorgung chronisch kranker Menschen erleichtert.

Eine unerkannte/unbehandelte Hypercholesterinämie zählt neben dem unbehandelten Bluthochdruck zu den „stillen Killern“. Zu hohes Cholesterin ist eine der wesentlichen Ursachen für Gefäßablagerungen (Atherosklerose) und die Koronare Herzkrankheit. Die Daten etwa des SANTORINI-Registers (6) verdeutlichen, dass selbst Patient:innen mit hohem bis sehr hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland oft keine den geltenden Leitlinien entsprechende Behandlung erhalten. 

Schon im Entwurf zum Gesunde Herz Gesetz hat sich daher die Herzstiftung dafür stark gemacht, dass dieser Risikofaktor frühzeitig erkannt wird, damit Betroffene eine adäquate medizinische Behandlung erhalten können. Nach Auffassung der Herzstiftung sollte daher überlegt werden, wie in enger Abstimmung mit den haus – und fachärztlichen Partnern Risikopatient:innen identifiziert werden können.

Die Patienten-Compliance spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg medizinischer Therapien und Behandlungen. Gerade in der Herzmedizin ist eine Dauertherapie häufig notwendig. Eine mangelhafte Therapietreue erhöht das Risiko, dass sich die Grunderkrankung verschlimmert und auch die Mortalität steigt. (3) 

Insbesondere abgestimmte gemeinsame Anstrengungen von Arzt und Apotheker im Rahmen der geplanten pDL „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ und „Pharmazeutisches Medikationsmanagement bei komplexer oder neu verordneter Dauermedikation“ können die Therapietreue erhöhen. So greifen Überprüfungen zu möglichen Unverträglichkeiten, Wechselwirkungen, Doppelmedikationen (etwa durch Selbstmedikation oder Verordnungen verschiedener Ärzte) und die Beratung zur richtigen Einnahme sinnvoll ineinander.

B) Impfungen in Apotheken 

Der Nutzen von jährlichen Grippe- und Covid-Impfungen für Herzpatient:innen ist belegt. Die STIKO empfiehlt die jährliche Influenza-Impfung für Personen ≥ 60 J. und für Personen ab 6 Monaten mit chronischen Grunderkrankungen (inkl. Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Studien zeigen (u. a. IAMI-Trial) eine signifikante Reduktionen harter kardiovaskulärer Endpunkte (MACE, kardiovaskulärer Tod), besonders bei kürzlich überstandenem akuten Koronarsyndrom. 

Ebenfalls gut dokumentiert ist der Nutzen einer jährlichen Auffrischimpfung gegen Covid-19, wie sie ebenfalls von der STIKO für Risikogruppen wie Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfiehlt. So wurde in Studien nachgewiesen, dass bei Geimpften das Risiko für virusassoziierte kardiovaskuläre Komplikationen (z. B. Herzinsuffizienz, thrombotische Ereignisse) geringer als bei Ungeimpften ist. Impfangebote insbesondere gegen Grippe und Covid in Apotheken können daher – bei Indikationsprüfung, Aufklärung und Dokumentation – durch ihren niederschwelligen Zugang die Durchimpfungsraten vulnerabler Herzpatient:innen verbessern und damit Morbidität und Mortalität senken (4). Dies bewertet die Herzstiftung als sinnvolles Präventionsziel.

Zusammenfassung

Deutschland belegt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in der Prävalenz vermeidbarer kardiovaskulärer Risikofaktoren: Bluthochdruck, Rauchen, Adipositas, Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie vordere Plätze.(5) Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen, insbesondere zur Erkennung und zur Beratung bezüglich der wichtigen vermeidbaren kardiovaskulären Risikofaktoren, sind daher sinnvoll. Randomisierte Studien und Register-Studien belegen den Nutzen. (6,7,8)

Die geplante Apothekenreform kann – bei sauberen Qualitätsstandards, digitaler Dokumentation und geordnetem, (haus-)ärztlich gesteuertem Follow-up – ein erweitertes starkes und wohnortnahes Präventions- und Versorgungsnetz für Herzpatient:innen schaffen.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer
Portrait von Prof. Voigtländer

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  1. Erfahren Sie alles zum Cholesterin, wann es zum Risiko wird und was Sie dagegen tun können.
  2. Herz und Gefäße sind bei Typ-2-Diabetikern per se gefährdet. Vorhofflimmern verstärkt dieses Risiko noch. Das können Sie als Betroffener tun.
  3. Erfahren Sie, warum Infekte auch fürs Herz gefährlich sind – und wie Sie sich schützen können.

  1. The effects of smoking on cardiac structure and function in a general Population, 2022, European Heart Journal; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac544.121
  2. Global Effect of Cardiovascular Risk Factors on Lifetime Estimates; www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa2415879; März 2025
  3. Association Between Medication Adherence and 1‐Year Major Cardiovascular Adverse Events After Acute Myocardial Infarction in China, Jaha, 2019; https://doi.org/10.1161/JAHA.118.011793
  4. International variations in primary care physician consultation time: a systematic review of 67 countries, BMJ Open 2017; https://bmjopen.bmj.com/content/7/10/e017902
  5. Influenza vaccine to reduce adverse vascular events in patients with heart failure: a multinational randomised, double-blind, placebo-controlled trial, 2022 Lancet Global Health, DOI: 10.1016/S2214-109X(22)00432-6 und Influenza Vaccination After Myocardial Infarction,2021, Circulation;  doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.057042
  6. Stürzebecher PE, Tünnemann-Tarr A, Tuppatsch K, Laufs U. [Treatment and LDL cholesterol adjustment in patients with high and very high cardiovascular risk in Germany compared with Europe - data from the SANTORINI registry]. Dtsch Med Wochenschr 2023;148:55-64.
  7. McCracken C, Raisi-Estabragh Z, Szabo L, et al. NHS Health Check attendance is associated with reduced multiorgan disease risk: a matched cohort study in the UK Biobank. BMC Medicine 2024;22:1.
  8. Lindholt JS, Søgaard R. Population screening and intervention for vascular disease in Danish men (VIVA): a randomised controlled trial. Lancet 2017;390:2256-2265.
  9. Lindholt JS, Søgaard R, Rasmussen LM, et al. Five-year outcomes of the Danish Cardiovascular Screening (DANCAVAS) trial. New Engl J Med 2022;387:1385-1394.